Tage wie diese, an dem Bröckers Foto durch das Netz schießt, sind ein Schlag ins Gesicht für alle, die Veränderung wollen, die endlich Gerechtigkeit fordern. Denn auf einem einzigen Foto wird klar, wo wir wirklich stehen: Noch ganz am Anfang. Da hilft es überhaupt nicht, dass die Münchner Sicherheitskonferenz rechtfertigend bekannt gibt, dass die finale Frauenquote unter den Sprechern im Hauptprogramm der Konferenz bei  45 Prozent gelegen hat. Alleine das ist zu wenig. Die Botschaft lenkt höchstens ein wenig vom CEO-Lunch im Bayerischen Hof ab.

Wo also stehen wir wirklich? Ist der Ruf und der Kampf nach Gleichstellung und Diversität einfach nur eine Bubble-Sache? Eindeutig: Ja! Schlimmer noch: Wenn es um Macht, Kapital und weitreichende Entscheidungen geht, ist Vielfalt nicht vorhanden. Teile der Gesellschaft mögen davon immer mehr Wind bekommen, der Spitze von Unternehmen ist es einfach egal.

Unsere Mitarbeiterin Anne sagte heute morgen in der Morgenkonferenz einen klugen Satz: "Es wird einem auch sehr einfach gemacht, Themen wie Diversität und Gleichstellung zu ignorieren. Die Schlagzeilen sind teilweise nur reißerisch, die Art und Weise der Kommunikation ist oft aggressiv und nervig, so kommt man nicht in den Dialog. Es fehlt an Bildung bei diesen Themen. Gefällige Überschriften helfen nicht, es braucht mehr inhaltliche Aufklärung."

Fakt: 2022 sind wir also nicht weiter als in den 1950iger Jahren. Die Frauen decken den Tisch, der Mann setzt sich und macht das Geschäft. Die Spitzen der deutschen Wirtschaft scheinen sich ganz wohl mit diesem Rollenbild zu fühlen, sonst hätte sie es längst ändern können. Greift man die These von Anne auf, stellt sich die Frage: Wie erreicht man die Entscheider in den Spitzenunternehmen? Welche Kommunikationswege nutzen sie, damit man sie erreicht? FAZ, Süddeutsche, Handelsblatt, Spiegel lägen bei der Zielgruppe nahe.

Aber das wäre dann vielleicht wieder zu viel Bubble. Sind die richtigen Ausspielkanäle am Ende "Ich bin ein Star, holt mich hier raus"? Oder etwa "Germany's next Top Model"? Kriegt man sie über ihre Kinder via Insta oder TikTok? Was die Quote angeht, kann man sicherlich sagen: Das ist Deutschland. Die Quote, in denen Frauen im Vorstand deutscher Dax-Unternehmen zu finden sind, ist hingegen eine Katastrophe. Bis September 2021 hatten 81 von 160 gelisteten Unternehmen nicht eine einzige Frau im Vorstand. Dazu gehörten auch modern anmutende Konzerne wie Hugo Boss oder die RTL Group.

Nicht nur IBES und GNTM sind Deutschland. Auch Empörung ist Deutschland, und davon gab es wegen des Fotos mehr als genug. Allerdings auch wieder nur in der Bubble. Und natürlich in Teilen der Medien, die Teil der Bubble sind. Was wir brauchen, ist Aufklärung. Was wir brauchen, ist ein kommunikatives Miteinander, was wir nicht brauchen, sind Fronten und Spaltung. Es sind augenscheinlich Ängste mit im Spiel, die für den Zustand der 1950iger Jahre sorgen. Hinter jedem Teilnehmer des CEO-Lunchs in München steht eine starke Marke, die gepflegt werden muss. Jedoch nicht mit Old Spice. Auch nicht mit Tabac Original.   


Autor: Mike Kleiß

Mike Kleiß ist Gründer und CEO der Kommunikationsagentur GOODWILLRUN. Für Focus-Online schreibt der passionierte Läufer als Kolumnist, in seinen Podcasts spricht er über Hunde und Fussball. Als Kommunikations-Stratege berät er internationale Marken. Der gelernte Journalist lebt für Marken und Medien, und darüber schreibt er regelmäßig bei W&V.