Bleiben wir im Bereich Automobilbetriebe. Hier ist es durch die Corona-Krise zwangsläufig zu einer Digitalisierung gekommen. Autohäuser müssen sich darauf einstellen, dass mehr Kunden über andere Kanäle kommen. Wurde in der Vergangenheit der Termin meist übers Telefon vereinbart, ist der Anspruch, in dieser Zeit digital zu kommunizieren, gestiegen. Hier bieten Händler und Werkstätten inzwischen neue Kanäle wie etwa Video-Chats.

Eine Video-Schalte ins Autohaus?

Ja. Nehmen wir an, das Auto ist in der Werkstatt, und es stellt sich heraus, dass mehr gemacht werden muss als ursprünglich geplant und vereinbart – weil beispielsweise der Auspuff kaputt ist. In so einem Fall kann eben der Meister in der Werkstatt über sein Smartphone dem Kunden in Echtzeit zeigen, in welchem Zustand der Auspuff ist – und dass ein Austausch angeraten ist. Früher kam der Kunde in einem solchen Fall persönlich ins Autohaus, hat sich die Problematik vor Ort angesehen und  dann die Freigabe erteilt. So ein Vorgang läuft mittlerweile über digitale Medien ganz anders ab. Manche Unternehmen sind diesen Weg in der Krise sehr schnell gegangen – man muss aber sagen: eine Minderheit.

Gibt es Erfolgsbeispiele?

Der Geschäftsführer einer dieser innovativen Unternehmen – einer der  größten Autohandelsbetriebe in Süddeutschland – hat mir unlängst erzählt, dass es in der Firmengeschichte noch keinen so erfolgreichen Jahresstart gegeben habe wie 2021. Trotz Corona. Dieses mittelständische Unternehmen hat sich sehr konsequent darauf eingestellt, dass Kunden zu Hause sitzen und online suchen – und dass man sehr schnell auf diese Anfragen reagieren muss. Denn es ist ja nicht nur wichtig, diese Kommunikationskanäle anzubieten, sondern sie auch in der Schnelligkeit zu bedienen, die der Kunde erwartet.

Die Wahl des Kanals impliziert somit die Zeit, in der ein Anbieter reagieren muss.

Richtig. Wer am Computer sitzt und bei Mobile.de ein Auto sucht, interessiert sich dafür in genau diesem Moment. Und da sollte ein Anbieter tatsächlich innerhalb einer Viertel- oder halben Stunde auf eine Anfrage reagieren und den Kunden da abholen, wo er gerade steht. Reagiert man erst zwei oder drei Tage später, hat sich der Kunde wahrscheinlich schon woanders hin orientiert.

Wie sollten mittelständische Unternehmen die Sache angehen? Was empfehlen Sie als erste Schritte?

Sich erst mal bewusst werden: Welche Kanäle nutzen die Kunden, um mit mir Kontakt aufzunehmen. Sucht ein Kunde nach einem Heizungs- und Klimatechnikfachbetrieb, wird er online von Bewertungen, zum Beispiel Google-Sternen, gelenkt. Deshalb ist bei der Frage, wie man die digitale Kommunikation angeht, die Reputation im Internet ganz zentral. Also: Wie werde ich von meinen Kunden gesehen und bewertet? Das lässt sich übertragen auf den gesamten Mittelstand.

Was wäre dann der nächste Schritt?

Es ist wichtig zu schauen, auf welchen Wegen der Kunde mich kontaktieren kann. Wie leicht ist es für den Kunden, zu mir zu kommen? Gibt es die Möglichkeit, über ein Kontaktformular zu kommen? Und ist dieses Kontaktformular überhaupt auffindbar auf der Website? Mein Tipp für mittelständische Unternehmer: einfach mal die Kundenbrille aufsetzen und beobachten, wie man selbst als Konsument unterwegs ist und online recherchiert, wenn man ein Produkt oder eine Dienstleistung sucht. Und sich selbst fragen: Wo sind mögliche Touchpoints, und wie stelle ich diese Touchpoints im Internet dar?

Es gibt ja bereits viele kleine und mittelständische Unternehmen, die auf allen Kanälen ansprechbar sind, weil sie dies über eine Omnichannel-Plattform organisieren. Kommen solche Unternehmen derzeit besser durch die Krise?

Die unterschiedlichsten Touchpoints anzubieten ist das eine, das andere ist, diese Touchpoints auch innerhalb des Betriebes zu organisieren. Es nützt nichts, wenn der Kunde schön digital Kontakt aufnehmen kann – beispielsweise in einem Chat –, aber dann die Antwort bekommt, dass man leider außerhalb der Geschäftszeiten anfragt. In dieser Organisation der Kommunikationskanäle liegt die große Herausforderung. Der Kunde muss schnell eine Antwort bekommen, und zwar über den Kanal, den er gewählt hat. Der oben genannte Automobilbetrieb hat das sehr gut gelöst, hat genau auf diese Prozesse geachtet. Dass zum Beispiel ein Lead, der am Samstag um 17 Uhr eingeht – also zu einer Zeit, zu der das Autohaus üblicherweise geschlossen hat –, trotzdem eine Antwort bekommt und ein digitales Beratungsgespräch erhält.

Das heißt aber doch, dass ein Autohausmitarbeiter Überstunden machen muss.

Ja, letztlich schon. Oder aber man nutzt einen Dienstleister, der diesen Service 24/7 sicherstellt und die Kundenanfrage auch außerhalb der Öffnungszeiten annimmt. Es geht erst mal darum, mit dem Kunden in einen Dialog zu treten. Abschließend geklärt werden kann das Anliegen dann vielleicht nicht, aber der Kunde weiß, seine Anfrage ist angekommen, er hat schon mal ein Gespräch geführt, es wird sich jemand aus dem Autohaus bei ihm melden, er fühlt sich gut aufgehoben. Es gibt übrigens immer mehr Kunden, die diese Erwartungshaltung haben, sofort – auch abends und am Wochenende – eine Antwort zu bekommen. Wenn ein Nutzer von Amazon gewöhnt ist, dass eine Ware am gleichen Tag geliefert werden kann, dann erwartet er diese Reaktionsschnelligkeit auch von anderen Anbietern.  

Omnichannel mit Kunden zu kommunizieren bedeutet vermutlich auch, Zielgruppen individueller abholen zu können.

Definitiv ist das ein Zielgruppenthema. Ältere Kunden greifen lieber zum Telefon und sprechen mit einem Anbieter. Je mehr Erfahrung ein Nutzer mit einem Medium hat, desto affiner ist er im Umgang damit. Auch jüngere Zielgruppen sprechen übrigens gerne. Aber eben asynchron. Das heißt, sie rufen nicht klassisch an, sondern nehmen eine Sprachnachricht auf und senden diese per WhatsApp. Da wächst Analog und Digital zusammen. Letztlich geht es für einen Kunden darum, seine Nachricht, sein Anliegen möglichst einfach zu übermitteln. Aber es ist bislang unwahrscheinlich, dass ältere Menschen Sprachnachrichten an Autohäuser, Heizungsfachbetriebe oder Steuerberatungskanzleien versenden.

Die LDB Gruppe ist selbst ein digitalisiertes mittelständisches Familienunternehmen. Wann hat LDB die digitale Transformation vollzogen?

Wir sind da unter den Mittelständlern sicher ein Sonderfall. Die IT-Gene stecken schon seit 50 Jahren in uns. Ein zentraler Gegenstand der Unternehmensgründung 1973 war ein Großrechner von IBM, den meine Eltern damals aus den USA haben einfliegen lassen. Mein Vater war EDV-Leiter bei Emnid in Bielefeld und hatte mit großen Datenmengen zu tun. Emnid musste sich zu der Zeit Rechenzeiten bei den Großrechnern von Bertelsmann in Gütersloh mieten. Mein Vater hat, als er sich selbständig machte, einen Kredit aufgenommen, den IBM-Rechner bestellt und in den ersten Jahren seines Unternehmertums erst mal nur Rechenleistung für Marktforschungsinstitute angeboten. Später kamen zahlreiche große Marken als Kunden hinzu, viele aus dem Automobilbereich, für die wir Marktforschung betrieben und unter anderem Kundenzufriedenheitsstudien erstellt haben.

 


Autor: Julia Gundelach

Julia Gundelach ist freie Autorin mit Schwerpunkt Specials. Daher schreibt sie Woche für Woche über neue spannende Marketing- und Medien-Themen. Dem Verlag W&V ist sie schon lange treu – nämlich seit ihrem Praktikum bei media & marketing in 2002, später als Redakteurin der W&V.